In der Tierfotografie bieten Mitzieher und lange Verschlusszeiten spannende kreative Möglichkeiten, um die charakteristischen Bewegungen eines Tieres einzufangen und in einem statischen Bild darzustellen. Im Gegensatz zu kurzen Verschlusszeiten, die einen Moment präzise einfrieren und jegliche Bewegung eliminieren, wird bei langen Verschlusszeiten die Dynamik des Tieres betont.
Ein Mitzieher ist eine Technik, bei der die Kamera während der Aufnahme einem sich bewegenden Motiv folgt. Dabei wählt man eine Verschlusszeit, die es ermöglicht, das Tier scharf oder zumindest „scharf genug“ abzubilden, während der Hintergrund verwischt. Das resultierende Bild vermittelt die Geschwindigkeit und Bewegung des eingefangenen Moments. Meiner Meinung nach steht die Schärfe des Motivs bei solchen Aufnahmen nicht im Vordergrund, da es technisch kaum möglich ist, das Tier knackscharf darzustellen. Viel wichtiger ist, welcher Teil des Tieres „scharf genug“ erscheint, um den Blick des Betrachters auf ein bestimmtes Detail zu lenken. Besonders attraktiv sind Bilder, bei denen die Kontur des Kopfes und vor allem das Auge des Tieres gut erkennbar sind – denn beim Betrachten von Tierbildern stellen wir unbewusst immer „Blickkontakt“ her.
Ein weiterer Vorteil ist, wenn man beim Fotografieren solcher Szenen die Möglichkeit hat, die Situation mehrfach einzufangen. Ein Beispiel hierfür sind landende Basstölpel in einer Brutkolonie, bei denen alle paar Minuten ein Vogel zum Felsen zurückkehrt. Dies ermöglicht es, viele Aufnahmen zu machen und so die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, wirklich gute und aussagekräftige Bilder zu erzielen. Gleichzeitig kann man sich dabei ganz auf die spezifischen Bewegungen der Tierart einlassen.
Lange Verschlusszeiten sind ein weiteres kreatives Mittel, um Bewegung in der Fotografie einzufangen. In der Tierfotografie führen sie dazu, dass sich bewegende Teile des Tieres unscharf erscheinen, was dem Bild Lebendigkeit und Dynamik verleiht und ein realistischeres Gefühl für das Tier vermittelt. Anders als bei der Mitzieher-Technik bleibt das Motiv jedoch nicht immer scharf. Das entstehende Bild kann eine abstrahierte Version der Realität darstellen und besondere Details der Tierart, wie etwa ein Muster im Federkleid oder die Farbe des Tieres, eindrucksvoll zur Geltung bringen.
Diese Technik erfordert eine gute Planung und eine klare Vision des gewünschten Ergebnisses. Das Tier muss sich zwar bewegen, jedoch nicht zu schnell, um interessante Unschärfeeffekte zu erzeugen. Ein Beispiel hierfür ist die Aufnahme eines Kolibris an einer Blüte mit einer Verschlusszeit von 1/500 Sekunde. Diese Verschlusszeit betont die hohe Geschwindigkeit des Flügelschlags, während das Tier und die Umgebung scharf abgebildet werden. Dieses Beispiel zeigt, wie wichtig es ist, die spezifischen Bewegungen einer Tierart zu kennen. Während 1/500 Sekunde für den schnellen Flügelschlag eines Kolibris eine relativ lange Verschlusszeit darstellt, sind für die meisten anderen Tiere deutlich längere Verschlusszeiten – von 1/125 Sekunde bis zu 1 Sekunde oder mehr – empfehlenswert.
Beide Techniken erfordern Übung, Geduld und vor allem ein gutes Verständnis für die Bewegungen der jeweiligen Tierart. Es ist wichtig, sich intensiv mit der Tierart auseinanderzusetzen, um deren Bewegungsabläufe einschätzen zu können. Zudem eignet sich nicht jeder Bildaufbau für Mitzieher oder Bewegungsunschärfe. Beim Mitzieher sollte die Bewegungsrichtung möglichst gleichmässig sein, um dem Bild eine gewisse Ruhe zu verleihen.
Um einen Mitzieher erfolgreich umzusetzen, empfiehlt es sich, den Autofokus auf „kontinuierlich“ zu stellen, damit die Kamera das Tier während der Bewegung verfolgen kann. Für lange Verschlusszeiten kann ein Stativ hilfreich sein, um Verwacklungen zu vermeiden – besonders dann, wenn der Hintergrund oder bestimmte Bildbereiche scharf bleiben sollen, wie im Beispiel des Kolibris.
Ein weiterer wichtiger Faktor ist das Umgebungslicht. Abblenden kann helfen, ein Bild mit langer Verschlusszeit ohne Überbelichtung zu realisieren. Bei sehr hellem Tageslicht oder wenn sich das Motiv stärker vom Hintergrund abheben soll, reicht dies möglicherweise nicht aus. In solchen Fällen sind ND-Filter eine nützliche Unterstützung.
Basstölpel | Canon EOS R6 | 105 mm | f/4 | 1/30 s | ISO 800
Tüpfelhyäne | Canon EOS 7D MK ii | 200 mm | f/14 | 1/40 s | ISO 1600
Gämse | Canon EOS R6 | 600 mm | f/5.6 | 1/13 s | ISO 5000
Kolibri | Canon EOS R7 | 600 mm | f/7.1 | 1/500 s | ISO 2000